Ein Interview mit Claudia Huhn über die aktuellen Vertriebsherausforderungen in einem Dentallabor
ZWL: Springen wir gleich mit beiden Füßen mittenrein, Sie begleiten seit über 20 Jahren Dentallabore im Vertrieb, was ist heute anders?
Im Kern ist funktionierender Vertrieb gleichgeblieben. Gibt es doch Funktionsweisen im menschlichen Miteinander, die sich nicht verändern. Anders ist die Größe der Klaviatur in Bezug auf die unterschiedlichen Vertriebskanäle, die ein Dentallabor bespielen kann. Anders ist auch die aktuelle Situation, die häufig durch einen Mitarbeitermangel gekennzeichnet ist. Dadurch bekommt Vertrieb nicht nur eine weitere Zielgruppe, sondern auch ein anderes Gesicht: Neben dem Gewinnen neuer Kunden geht es auch um das Gewinnen neuer Mitarbeiter. Häufig liegt der vertriebliche Fokus eines Dentallabors nicht mehr ausschließ-lich auf quantitativem Umsatzwachstum, sondern viel häufiger auf qualitativem Vertrieb.
Schauen wir für einen kurzen Moment zurück, so hatte ein Dentallabor in meinen vertrieblichen Anfängen Musterarbeiten, eine Imagebroschüre und selbstverständlich Visitenkarten. Wer damals innovativ war, besaß auch schon eine Webseite, die allerdings war noch eine echte Seltenheit. Kaum vorstellbar, dass über die Notwendigkeit einer Webseite diskutiert wurde. Wer heute keine mobil optimierte, SSL-verschlüsselte Seite mit wenig Text und viel emotionaler Bildsprache hat, gilt als Dinosaurier, der stark vom Aussterben bedroht ist, um es einmal drastisch auszudrücken.
Zum Standard einer eigenen Webseite sind dann im Laufe der Zeit unterschiedliche Social Media Kanäle (Facebook, Insta, TikTok) und sogenannte Businessplattformen, wie zum Bei-piel LinkedIn dazugekommen. Drucksachen, insbesondere Mailings nehmen an Bedeutung immer stärker ab, während digitale Informationskanäle immer stärker an Bedeutung zunehmen.
Die Kunst im Vertrieb ist es, aus allen Möglichkeiten, den für das eigene Unternehmen pas-senden Mix zu erstellen und das Bespielen der gewählten Kanäle so professionell sicherzu-stellen, dass die Unternehmensmarke bei potenziellen Kunden und Mitarbeitern wie ge-wünscht ankommt.
Ein letzter Unterschied ist die durch die Digitalisierung stark gesunkene Hemmschwelle der Zahnarztpraxen, einmal links oder rechts etwas auszuprobieren. Ein digitaler Datensatz lässt sich sehr viel leichter versenden, als ein konventioneller Abdruck und davon machen Zahnarztpraxen mit Intraloralscanner auch gerne einmal Gebrauch.
ZWL: Wenn nicht alles anders ist, was ist gleichgeblieben?
Gleich geblieben ist die emotionale Komponente im Vertrieb. Noch immer lassen sich Menschen von Menschen gewinnen, egal, ob es um neue Kunden oder Mitarbeiter geht. Noch immer machen Menschen den Unterschied, bieten also die größte Chance für ein Alleinstellungsmerkmal. Der gewählte Marketing-Mix unterstützt auf unterschiedlichen Kanälen den Vertrieb, er leistet wertvolle Vorarbeit, informiert, baut Emotionen auf, auf deren Basis dann das Gewinnen und/oder Binden stattfinden kann.
Noch immer entscheidet am Ende der Faktor Mensch über den Vertriebserfolg.
ZWL: Was sind die wichtigsten Punkte für erfolgreichen Vertrieb, egal, wie es um die Auslastung steht?
Strategisch beginnt alles mit der Klarheit zur eigenen Marke. Wer bin ich, bzw. wer will ich sein, wofür stehen wir, wofür nicht und damit letztlich: Wie will ich wahrgenommen werden?
Aufbauend darauf geht es um die Definition des Zielkunden. Wie muss eine Zahnarztpraxis aufgestellt sein, damit sie gut in das eigene Unternehmen passt. Welche Kriterien sind ein Muss und über welche können wir ggf. verhandeln.
Aus den genannten Definitionen leitet sich relativ einfach der Marketing-Mix aus den zuvor genannten Vermarktungskanälen ab. Hier gilt noch immer, dass man sich als Unternehmen dort aufhalten muss, wo die eigene Zielgruppe ist und zwar in der Art, die eben die gewählte Zielgruppe anspricht.
Im operativen Vertrieb ist es wichtig, immer einen aktuellen Überblick über den Umsatzbe-darf der nächsten fünf Jahre zu haben. Dieser ergibt sich aus der Analyse der eigenen Kunden und zeigt auf, wieviel Umsatz in den nächsten fünf Jahre voraussichtlich verloren geht, d.h. durch Vertriebsaktivitäten ersetzt werden muss, um den aktuellen Umsatzbestand zu erhalten. Geplantes Umsatzwachstum erhöht dabei den Umsatzbedarf.
Abgerundet werden die strategischen und operativen Vertriebsüberlegungen durch die menschliche Komponente, also die Antwort auf die Frage: Wer macht was, wann. Grund-sätzlich ist es, unabhängig von der Auslastung des Labors unglaublich wichtig, dem Thema Vertrieb eine hohe Priorität beizumessen, will man nicht Gefahr laufen, irgendwann vor einer wirklich großen, manchmal unlösbaren Vetriebsaufgabe zu stehen.
ZWL: Was sind die häufigsten Fehler, die im dentalen Vertrieb gemacht werden?
Die größten Fehler sind in der Regel Unterlassungen. Alle Erfolgsfaktoren, die ich zuvor genannt habe, in Teilen oder gar nicht im Labor zu installieren, also zu unterlassen, ist eine Art von russisch Roulette spielen. Es kann gut gehen, muss es aber nicht.
Häufig schrumpft ein Dentallabor dann langsam über viele Jahre: Hier geht ein Kunde in Ruhestand, dort ein Mitarbeiter und schon passt es irgendwie wieder. Dieser Prozess funktioniert allerdings dort nicht mehr, wo der Umsatz nicht zur Größe der Struktur passt. Ist die Schieflage groß genug, endet dies meist nicht gut für das Unternehmen.
Einzig auf digitale Vermarktung zu setzen ist ein recht neuer, aber nicht weniger großer Fehler. Digitale Kanäle können erste Schritte hin zum neuen Kunden sein, sie ersetzen allerdings niemals die menschliche Komponente, die Beziehungsebene. Spätestens bei der Kundenbindung, also der Frage ob und mit wieviel Umsatz ein Kunde im Unternehmen bleibt, ist der entscheidende Faktor die Intensität der Beziehung, die zum Kunden unterhalten wird. Vereinfacht gesagt gilt folgendes: Wer die Beziehung hat, hat den Kunden.
Viele Dentallabore übersehen auch die Vertriebsnotwendigkeiten, die sich aus der fortschreitenden Digitalisierung ergeben. Erstens hat die Digitalisierung zu einem weiteren Marktteilnehmer geführt, der auch seinen Teil vom Kuchen abhaben möchte und zweitens sinkt, wie bereits erwähnt die Hemmschwelle, Neues auszuprobieren.
ZWL: Warum tun sich so viele Dentallabore mit der Integration eines belastbaren Vertriebssystems so schwer?
Schon immer sind die meisten Dentallabore getrieben von den aktuellen Herausforderun-gen ihres Unternehmens. Der Fokus liegt häufig auf den operativen und weniger auf den strategischen Aufgaben.
Warum, so sagen mir häufig Laborinhaber, soll ich jetzt Vertrieb machen, wir haben das Haus voll. Hier paßt nichts mehr rein. Oder andere: Ich habe viel zu wenig Mitarbeiter, mehr Umsatz kann ich nicht verkraften.
Auf den ersten Blick sind beide Aussagen nachvollziehbar. Ein Tag, der gefüllt ist, mit tagesaktuellen Aufgaben kann auch ohne strategische Ansätze schon lange genug sein. Am Ende wird man als Unternehmer in einer solchen Situation aber vom Unternehmen gearbeitet, statt selbst am Unternehmen zu arbeiten. Aus dieser Spirale gilt es sich zu befreien, wenn es die Absicht ist, das eigene Unternehmen strategisch weiterzuentwickeln und stabil für die Zukunft aufzustellen.
Letztlich scheitert die Integration häufig auch am Wissen und Können. Trial and Error im Vertrieb ist schwieriger möglich als in zahntechnischen Bereichen. Ist die Qualität der Test-werkstücke noch nicht kundengerecht, so kann man intern so lange üben, bis das Ergebnis fehlerfrei ist.
Damit ist das Fehlen eines belastbaren und skalierbaren Vertriebssystems eine Kombinati-on aus zu wenig Zeit, zu wenig Wissen und Können und einer Priorisierung, die diesem Thema eben keine angemessene Wichtigkeit zuschreibt.
ZWL: Was sind Ihre wichtigsten Tipps für einen nachhaltigen Vertrieb?
Realistische Ziele, Klarheit über das eigene Können, ein professioneller Aufbau der eigenen Unternehmensmarke durch einen gelungenen Marketingmix, Zeit und das notwendige Vertriebskönnen, sind die Zutaten für einen nachhaltigen Vertrieb, der sich den Anforde-rungen des Labors entsprechend anpassen lässt.
Allerdings sei mir hier noch einmal der Hinweis gegönnt: Es ist grundfalsch die aktuellen Vertriebsmaßnahmen am aktuellen Umsatzbedarf auszurichten. Alle Vertriebsmaßnahmen heute, haben ihren Erfolg in der Zukunft. Oder anders formuliert: Wer in der Zukunft Umsatz braucht, weil Kunden in den wohlverdienten Ruhestand gehen, der tut gut daran heute vertrieblich aktiv zu werden.
Fazit
Die Etablierung eines belastbaren sowie nachhaltigen Vertriebskonzepts ist kein Hexenwerk, wenn man weiß wie. Unterschätzt man zudem die Wichtigkeit der emotionalen Komponente nicht, so ist das eigene Unternehmen jederzeit gut auf Umsatzveränderungen und -schwankungen vorbereitet. Menschen mitzunehmen, bevor sie darüber nachdenken, warum sie begeistert sind, bezeichnet die Neurologie als „präflexive Empathie“. Es macht Sinn, sich mit dieser Fähigkeit intensiv auseinander zu setzen. Konventionelle und digitale Vermarktungskanäle sind die Hintergrundmelodie zu einem perfekten persönlichen Beziehungsmanagement, der einem Beziehungsmagnet gleich kommt. Wenn auch Sie zu einem Kundenmagnet werden wollen, sprechen Sie uns an oder schreiben uns an.